Gegen 19.20 alarmierte die Rettungsleitstelle in Hameln die Ehrenamtlichen aus Egestorf/Süntel zur Kreisstraße 74, die in einer S-Kurve um den Ortsteil Böbber herumführt: Nach einem Motorradunfall sollten Betriebsstoffe auslaufen.


Als die 12 Feuerwehrfrauen und -männer kurze Zeit später eintrafen, versorgten bereits ein Notarzt und eine Rettungswagen-Besatzung aus Bad Münder die junge Motorradfahrerin aus Barsinghausen, die offenbar frontal gegen ein Auto gestoßen war.


Die Feuerwehrleute stoppten sofort den auslaufenden Kraftstoff mit Bindemitteln und unterstützten die Polizei bei der Absperrung der Unfallstelle.
Gleichzeitig bauten sie einen Wasserangriff auf, um den Brandschutz sicherzustellen.


Zwischenzeitlich hatte die Leitstelle den Rettungshubschrauber „Christoph 4“ aus Hannover alarmieren lassen, der nur wenige Minuten später auf einem Feld nahe der Unfallstelle landete.
Feuerwehrleute halfen kurz darauf, die Verletzte vom Rettungswagen dorthin zu tragen.


Eile war für die Hubschrauber-Besatzung nicht nur geboten, weil die Verletzte möglichst schnell und trotzdem schonend in ein Krankenhaus gebracht werden musste: „Christoph 4“ ist nicht nachtflugtauglich und darf nur bis zum Einbruch der Dämmerung fliegen.


Knapp vor Sonnenuntergang hob er schließlich mit der Verletzten in Richtung Medizinische Hochschule Hannover (MHH) ab.


Der geschockte Freund der verletzten Motorradfahrerin wurde von Feuerwehrleuten betreut, bis er von Verwandten abgeholt werden konnte.
Auch eine Notfall-Seelsorgerin aus Hameln war zur Unfallstelle gefahren, konnte aber nach einem kurzen Gespräch mit ihm den Unfallort wieder verlassen.


5 Stunden im Einsatz: Feuerwehr leuchtet aus und sperrt ab
Um einen speziell ausgebildeten Unfallermittler der Polizei zu unterstützen, bauten die Feuerwehrleute bei einsetzender Dämmerung mobile Scheinwerfer auf und fuhren den am Fahrzeug installierten Lichtmast aus.


Gleichzeitig sperrten weiterhin Feuerwehrleute mit ihren Privatfahrzeugen die Zufahrten zur Unfallstelle, weil die drastisch zusammengesparte Polizei in Bad Münder schon lange keine Fahrzeuge und ausreichend Personal für solche langfristigen Absperrmaßnahmen mehr übrig hat.


Erst gegen 0.20 Uhr, also rund fünf Stunden nach der Alarmierung, war der Einsatz nach Angaben des Ortsbrandmeisters für die unbezahlten Helfer beendet.


Trecker trotz Gegenverkehr überholt
Zu dem Unfall war es offenbar gekommen, als die 22-Jährige mit ihrer neuen Kawasaki in einer leichten Rechtskurve von Egestorf/Süntel kommend einen Trecker überholte, der einen Hänger mit Strohballen zog.
Sie übersah dabei einen Mercedes, der aus Richtung Böbber kam.
Dessen ortskundiger Fahrer (45) aus Bakede hatte aufgrund der engen Straße glücklicherweise bereits in der Kurve das Tempo gedrosselt, um Platz für den Trecker zu machen.


Trotzdem, so schilderte er mir später, sei das Motorrad hinter dem Trecker-Gespann wie aus dem Nichts aufgetaucht und er habe den Zusammenstoß nicht mehr verhindern können.
Ungünstig wirkte sich wohl auch aus, dass er gegen die untergehende Sonne fuhr.


Der Freund der Verunglückten, der ein ganzes Stück hinter ihr gefahren war, konnte sich später nicht erklären, warum sie an dieser unübersichtlichen Kurve überholt hatte. Sie sei eine sehr besonnene und vorsichtige Fahrerin und beide seien für eine entspannte Abendrunde mit ihren Maschinen unterwegs gewesen.
Möglicherweise hatte sie die örtlichen Gegebenheiten falsch eingeschätzt, denn auch der Mercedes war aus einer Kurve gekommen und für die Frau nicht zu sehen gewesen.
Vorbildliche Ersthelfer
Das Motorrad war frontal gegen die Motorhaube des Mercedes gestoßen und die Fahrerin vermutlich mit dem Helm gegen die Windschutzscheibe geprallt. Anschließend landete sie mehrere Meter entfernt auf dem Asphalt.




Nach Augenzeugenberichten versuchte sie noch aufzustehen, sackte aber sofort wieder zusammen und blieb schwerverletzt liegen.
Danach begann offenbar eine Erste Hilfe wie aus dem Lehrbuch: Die Augenzeugen hielten sofort an, auch weiter hinzukommende Autofahrer stoppten ihre Autos, um zu helfen.
Sie sicherten die Unfallstelle ab, wählten den Notruf und kümmerten sich um die Verletzte.


Der unverletzte Mercedes-Fahrer berichtete mir später, er sei nach dem plötzlichen Zusammenstoß so erschüttert gewesen, dass er nicht mehr handlungsfähig war und zitternd im Auto gesessen habe.
Er sei dankbar, dass so viele Menschen geholfen und auch ihn betreut hatten, bis der Rettungsdienst eintraf.
Augenzeuge richtet Motorrad auf
Nicht ganz so gut allerdings, zumindest aus Sicht des Unfallermittlers:
Um das Auslaufen der Betriebsstoffe zu stoppen, hatte einer der Augenzeugen das Motorrad nach ersten Angaben vor Ort wieder aufgerichtet und an den Mercedes gelehnt.


Dem Unfallermittler fehlte so die exakte Endlage der Maschine, um später eine ungefähre Geschwindigkeit noch genauer ermitteln zu können.
Als Ermittler in einem Straf- oder auch Ordnungswidrigkeiten-Verfahren hat er nicht nur belastende, sondern immer auch möglicherweise entlastende Spuren zu sichern.
So kann bei Verkehrsunfällen eine Geschwindigkeitsanalyse wichtig für die spätere Beurteilung des Gerichts sein, ob ein Unfall durch rücksichtsloses, aggressives Verhalten oder einfach nur durch Unachtsamkeit passiert ist.


Auch die Feuerwehr versucht deshalb bei Verkehrsunfällen immer, die Fahrzeuge möglichst nicht zu bewegen und Spuren nur so weit zu beeinträchtigen, wie es für die Rettung von Eingeklemmten und Verletzten nötig ist.
Quellen:
Eigene Interviews vor Ort, Pressemeldung der Polizei